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Die Haftungseinheit – das oftmals unbekannte Wesen (Ellerbeck, VersR 2024, 974)

Die gerichtliche und anwaltliche Praxis treffen im Bereich von Sach- und Personenschäden nicht selten auf Mehrpersonenkonstellationen, die auf den ersten Blick einfach zu strukturieren sind, in der rechtlichen Lösung jedoch durchaus anspruchsvoll sein können. Der Rechtsfigur der Haftungseinheit wird dabei oft von beiden Seiten nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Aus anwaltlicher Sicht können sich jedoch Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anspruchsabwehr wie auch der Geltendmachung von Forderungen ergeben, so dass sich eine Betrachtung für den Mandanten lohnen kann.


I. Einführung

II. Die unterschiedlichen Fallgruppen
1. Mehrere Schädiger als Nebentäter mit eigenem Verursachungsbeitrag
2. Mehrere Schädiger als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen
3. Mehrere Schädiger als Nebentäter durch einen gemeinsamen Tatbeitrag
a) Zum Begriff der Haftungs- und Zurechnungseinheit
b) Grenzen der Zurechnung
aa) Die Berücksichtigung der Deliktsfähigkeit
bb) Gesetzesimmanente Grenzen
c) Rechtsfolgen
aa) Rechtsfolgen im Außenverhältnis
bb) Rechtsfolgen im Innenverhältnis
(1) Unter den Schädigern
(2) Unter den Mitgliedern der Haftungseinheit

III. Ergebnis


I. Einführung

Die gerichtliche und anwaltliche Praxis treffen im Bereich von Sach- und Personenschäden nicht selten auf Mehrpersonenkonstellationen, die auf den ersten Blick einfach zu strukturieren sind, in der rechtlichen Lösung jedoch durchaus anspruchsvoll sein können. Der Rechtsfigur der Haftungseinheit wird dabei oft von beiden Seiten nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Aus anwaltlicher Sicht können sich jedoch Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anspruchsabwehr wie auch der Geltendmachung von Forderungen ergeben, so dass sich eine Betrachtung für den Mandanten lohnen kann.

Die Mehrheit von Schädigern unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des oder der Geschädigten und die daraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen waren und sind zwar vielfach Gegenstand der Rechtsprechung und wurden auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur umfassend aufgearbeitet. Die Rechtsfigur der Haftungseinheit wird dabei jedoch regelmäßig nicht oder nur am Rande erörtert, ergibt sie sich doch nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Hintergrund ist, dass § 254 BGB auf Zwei-Personen-Verhältnisse zugeschnitten ist. Er enthält daher keine Regelung zur Berücksichtigung weiterer, an der Schadensentstehung beteiligter Schädiger.

Der nachfolgende Beitrag soll daher die dabei regelmäßig auftretenden Konstellationen im Rahmen von Mehrpersonenverhältnissen aufzeigen und fasst diese in drei Kategorien zusammen. Der Schwerpunkt liegt auf der Betrachtung der letzten Fallgruppe der sog. Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit und der daraus zu ziehenden Rechtsfolgen unter Einbeziehung der hierzu ergangenen Rechtsprechung.

II. Die unterschiedlichen Fallgruppen

Schädigermehrheiten lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen unterteilen:

  • Mehrere Schädiger agieren als Nebentäter und leisten jeweils eigene Verursachungsbeiträge;
  • Mehrere Schädiger agieren als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen gemeinschaftlich;
  • Mehrere Schädiger verwirklichen als Nebentäter einen gemeinsamen Verursachungsbeitrag.


1. Mehrere Schädiger als Nebentäter mit eigenem Verursachungsbeitrag

Schädigen mehrere Ersatzpflichtige einen anderen als Nebentäter und leisten einen eigenständigen Verursachungsbeitrag, so ist im Fall eines mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten zunächst jedem Geschädigten gegenüber eine gesonderte Abwägung vorzunehmen (sog. Einzelabwägung). Ausgangspunkt ist, dass der Geschädigte gegenüber jedem Schädiger einen selbstständigen Schadensersatzanspruch hat. Würde man es jedoch dabei belassen und die jeweiligen Rechtsverhältnisse des Geschädigten zu den verschiedenen Schädigern isoliert betrachten, wäre der Geschädigte regelmäßig benachteiligt. Denn sein Verursachungsbeitrag würde dem einzelnen Schädiger gegenüber schwerer wiegen als bei Beachtung des Umstands, dass daneben weitere Schädiger weitere Ursachen des Schadens gesetzt haben.

Zur Korrektur dieses als unbillig empfundenen Ergebnisses wird daher (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.07.2024 16:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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