Aktuell in der VersR

Die Grenzen der Bindung von Leistungsanerkenntnis und -antrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung (Kirsten/Weber, VersR 2024, 825)

Die gesetzlichen Regelungen des Rechtes der Berufsunfähigkeitsversicherung finden sich seit 2008 in §§ 172 – 177 VVG. Stellt der VN einen Leistungsantrag, hat der Versicherer sich bei Fälligkeit, mithin nach Beendigung der Leistungsprüfung (§ 14 VVG), in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt (§ 173 Abs. 1 VVG).


I. Problemstellung

II. Gang der Untersuchung

III. Der Leistungsantrag und seine Bedeutung für das Nachprüfungsverfahren
1. Inhalt des Leistungsantrags
a) Gesundheitszustand
b) Tätigkeit
2. Zeitpunkt des Leistungsantrags
a) Entfall der Berufsunfähigkeit während der Leistungsprüfung
b) Entfall der Berufsunfähigkeit vor dem Leistungsantrag
c) Abgrenzung der Fallgruppen

IV. Das Leistungsanerkenntnis
1. Grundsatz der Bindungswirkung des Inhalts
2. Kein die Berufsunfähigkeit begründender Gesundheitszustand bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses
a) Fehleinschätzung durch den Versicherer
b) Fehleinschätzung aufgrund vom VN vorgelegter Arztberichte/Diagnosen
c) Fehleinschätzung eines vom Versicherer beauftragten medizinischen Sachverständigen
d) Neueinschätzung aufgrund neuer/verbesserter medizinischer Untersuchungsmethoden
3. Möglichkeit der Verweisung bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses

V. Zusammenfassung


I. Problemstellung

Die gesetzlichen Regelungen des Rechtes der Berufsunfähigkeitsversicherung finden sich seit 2008 in §§ 172 - 177 VVG. Stellt der VN einen Leistungsantrag, hat der Versicherer sich bei Fälligkeit, mithin nach Beendigung der Leistungsprüfung (§ 14 VVG), in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt (§ 173 Abs. 1 VVG).

Ist der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit eingetreten, ist der Versicherer zum Erbringen der vereinbarten Versicherungsleistung und Abgabe eines entsprechenden Leistungsanerkenntnisses verpflichtet. Eine wesentliche Besonderheit des Rechtes der Berufsunfähigkeitsversicherung ist jedoch, dass bei Entfall der Voraussetzungen der Leistungspflicht wegen Fortfalls bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit die Leistungspflicht des Versicherers nicht von sich aus endet. Ein Entfall der Leistungspflicht des Versicherers tritt erst ein, wenn der Versicherer diesen feststellt und dem VN diese Veränderung in Textform (§ 174 Abs. 1 VVG, sog. Änderungsmitteilung) darlegt. Während dem VN für den Eintritt der Berufsunfähigkeit (sog. Erstprüfung) die Darlegungs- und Beweislast obliegt, trifft den Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Entfalls seiner Leistungspflicht (sog. Nachprüfung).

Ausgangspunkt des Leistungsanerkenntnisses des Versicherers ist der Leistungsantrag des VN. Bei der Nachprüfung zum möglichen Entfall der Leistungspflicht ist wiederum der Versicherer grundsätzlich an die mit seinem Leistungsanerkenntnis getroffenen Feststellungen gebunden. Der BGH stellt hierzu in ständiger Rechtsprechung heraus, dass dies daraus folge,

„dass die Regelung über das Nachprüfungsverfahren nur dann einen Sinn ergibt, wenn der Versicherer bei unverändertem Fortbestand der für die Beurteilung maßgeblichen, ihm bekannt gewordenen Umstände an sein erklärtes Anerkenntnis gebunden bleibt und nicht befugt ist, den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten und etwaige Verweisungsmöglichkeiten jederzeit ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/oder seiner Kenntnis hiervon abweichend von seiner früheren Anerkenntniserklärung zu bewerten.“

Dies unterstreicht die besondere Bedeutung des Leistungsanerkenntnisses des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Nachfolgende Ausführungen widmen sich daher der Fragestellung, in welchen Grenzen die Bindungswirkung der Vertragsparteien in Bezug auf das Leistungsanerkenntnis des Versicherers und den Leistungsantrag des VN bestehen.

II. Gang der Untersuchung

Da zu Beginn der Leistungsprüfung des Versicherers der Leistungsantrag des VN steht, wird nachfolgend zunächst näher untersucht, inwieweit der Leistungsantrag des VN eine Bindungswirkung für VN und/oder Versicherer im Erst- sowie Nachprüfungsverfahren begründet. Es erfolgt dabei eine Unterscheidung in Inhalt des Leistungsantrags (III 1) und Zeitpunkt (III 2). Anschließend werden die Grenzen der Bindungswirkung des Leistungsanerkenntnisses des Versicherers im Nachprüfungsverfahren eingehend untersucht, wobei zunächst die Grundsätze im Allgemeinen (IV 1) und sodann Fallgruppen im Besonderen (IV 2–3) einer näheren Betrachtung unterzogen werden.

III. Der Leistungsantrag und seine Bedeutung für das Nachprüfungsverfahren

Bei dem Versicherungsfall der (bedingungsgemäßen) Berufsunfähigkeit handelt es sich um einen (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.07.2024 10:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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