BGH v. 10.7.2024 - VIII ZR 184/23

Vermieter darf auch mit verjährten Schadensersatzforderungen gegen Kautionsrückzahlungsanspruch aufrechnen

Eine Aufrechnung des Vermieters mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters im Rahmen der Kautionsabrechnung ist regelmäßig auch dann möglich, wenn der Vermieter die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis (Verlangen von Schadensersatz in Geld statt einer Wiederherstellung der beschädigten Sache) nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war vom 15.10.2010 bis zum 8.11.2019 Mieterin einer Wohnung des Beklagten. Die vertraglich vereinbarte Mietkaution von 780 € hatte die Klägerin bei Mietbeginn geleistet. Eine Übergabe bei Mietende fand nicht statt. Der Bevollmächtigte der Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 20.2.2020 auf, die Kaution abzurechnen. Der Bevollmächtigte des Beklagten rechnete mit Schreiben vom 20.5.2020 über die Mietkaution ab. Hierbei bezifferte er diese mit 785,51 € und rechnete mit Gegenforderungen i.H.v. 1.175 € auf.

Die Klägerin war der Ansicht, die Aufrechnung mit Gegenansprüchen sei nach Ablauf der Frist von sechs Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses erfolgt, damit seien die Ansprüche verjährt. Eine Abrechnung innerhalb der Frist habe sie nicht erhalten. Der Beklagte war der Ansicht, zur Aufrechnung auch nach Ablauf der Frist des § 548 BGB berechtigt zu sein, denn § 215 BGB regele die Aufrechnung mit verjährten Forderungen.

AG und LG gaben der Klage auf vollständige Rückzahlung der Kaution statt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheitere die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache daran, dass diese im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung bereits verjährt gewesen wären. Zwar stehe die Verjährung der Aufrechnung gem. § 215 Alt. 1 BGB nicht entgegen, wenn die Forderung in dem Zeitpunkt, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt gewesen sei. Diese Ausnahme greife vorliegend jedoch nicht ein, da eine Aufrechnungslage in unverjährter Zeit mangels Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht bestanden habe.

Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Der Senat ist der Ansicht, dass eine von den Parteien im Wohnraummietverhältnis getroffene Barkautionsabrede typischerweise dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.

Das Berufungsgericht hatte bei seiner Beurteilung maßgeblich auf die für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache gesetzlich vorgesehene kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten (§ 548 Abs. 1 BGB) abgestellt, innerhalb derer eine Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen noch nicht bestanden hat. Dabei hatte es jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Denn eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können.

Soweit die Aufrechnung im Hinblick auf das bestehende Erfordernis der Gleichartigkeit der beiden Forderungen voraussetzt, dass der Vermieter die ihm bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache zustehende Ersetzungsbefugnis ausübt, um Schadensersatz in Form eines Geldbetrags verlangen zu können, hat der Mieter regelmäßig kein Interesse daran, dass dies noch in unverjährter Zeit erfolgt. Die isolierte Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist wäre insofern ein lediglich formaler Schritt im Vorfeld zu der für beide Parteien letztlich maßgeblichen Abrechnung des Vermieters über die Barkaution, die ihrerseits nach BGH-Rechtsprechung nicht in jedem Fall innerhalb der kurzen Verjährungsfrist zu erfolgen hat.

Im weiteren Verfahren muss das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen dazu treffen, ob die von dem beklagten Vermieter behaupteten Schadensersatzansprüche bestehen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.07.2024 15:54
Quelle: BGH PM Nr. 144/2024 v. 10.7.2024

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